Gibt man auf Google in der Bildersuche die Begriffe „Reenactment“ und „Franziskanermönch“ ein, so erscheint gleich an erste Stelle das Bild eines bärtigen Mannes, mit Tonsur und in der typischen, naturfarbenen Wollkutte des Ordens. Das selbe Resultat erhält man bei einer Eingabe in englischer Sprache. (Stand März 2013, anm. d. Verf.). Hierbei handelt es sich um Ralph Küng. Er ist historischer Darsteller, Mitglied der Company of St. George sowie bei der IGZ mit dabei. An Veranstaltungen fällt auf, dass Ralph als Foto-Sujet sowohl bei Museumsbesuchern als auch bei der Presse sehr beliebt ist. Welche Erfahrungen macht Ralph in dieser markanten Darstellung? Wie ist er überhaupt dazu gekommen und in welche Richtung entwickelt sich diese Rolle? Darüber gibt Ralph mir im folgenden Gespräch Auskunft.
Ich
stelle einen Laienbruder dar. Einen Franziskanermönch mit geringer
Bildung, der im späten 15.Jahrhundert lebt und aus dem
Barfüsserkloster Zürich stammt.
Welchen
sozialen Hintergrund könnte Deine Figur haben? Warum wurde dieser
Mensch ausgerechnet Franziskaner?
Die
soziale Schicht der Herkunftsfamilie meiner Figur ist für mich von
keiner grossen Bedeutung. Es war zu jener Zeit durchaus üblich, ein
später geborenes Kind in ein Kloster zu geben. Die Entscheidung,
dass meine Figur dem Orden der Franziskaner angehören sollte, fällte
ich intuitiv. Ich kann mich mit der Lehre des Franz von Assisi auch
privat ein Stück weit identifizieren. Das führte wohl zu dieser –
weniger historisch, als persönlich geprägten Wahl.
Seit
wann bist Du im Hobby? Wie hast Du Deinen Einstieg in Erinnerung?
Im
Hobby bin ich seit Anfang 2011. Mein erster Event war ein Besuch auf
der Meersburg, bei der Gruppe Ulmer Aufgebot 1475. Das war eine
spannende Erfahrung. Plötzlich war ich umgeben von vielen Leuten,
die meine Interessen teilten. Mein erster Event
mit der Company of St. George war im Juni des selben Jahres. Wir
belebten das Château de Gruyères und das war sehr eindrücklich.
Alles wirkte irgendwie „echt“ und es gab manchmal wirklich
Momente, in denen ich eintauchte und mir vorstellte, wie es in der
mittelalterlichen Gesellschaft zu und her ging.
Auf
welche Quellen stützt sich Deine Darstellung? Sind es immer noch die
gleichen wie am Anfang, oder sind weitere Einflüsse dazu gekommen?
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Giotto. Oberkirche, Assisi. |
Ralph, Du bist in der Szene zwischenzeitlich, zumindest, was Deinen „Look“ angeht, als einer der besten Mönchsdarsteller bekannt. Warum kommt Deine Darstellung bei anderen Darstellenden so gut an?
Vielleicht
beeindruckt die Leute meine Tonsur? Ich gebe mir Mühe, meine
Darstellung so gut wie möglich zu machen – und dabei mich selbst
zu bleiben. Während einem Event achte ich einfach darauf, dass keine
modernen Gegenstände (Natel, Brille etc.) sichtbar sind. Die
sichtbaren Teile meiner Ausrüstung sind historisch belegbar. Das ist
mir wichtig.
Die
meisten Museumsbesucher reagieren wirklich positiv. Ab und zu werde
ich spasseshalber mit „Bruder Tuck“ angesprochen. Über solchen
Sachen muss man stehen und darf sie nicht persönlich nehmen.
Aufgrund meiner Tonsur, die ich übrigens nur ca. drei Mal pro Jahr
schneiden lassen kann, halten mich einzelne Besucher auch für einen
echten Mönch. Da muss ich dann sensibel vorgehen und die Leute
aufklären. Es läge mir fern, jemanden in seinen religiösen
Gefühlen zu verletzen.
Wie
zufrieden bist Du, wenn Du zurückblickst auf die vergangenen beiden
Jahre? Würdest Du heute etwas anders machen?
Ich
hatte am Anfang das Glück, Dich Roger, bei der Company als
kompetenten Host zu haben. Anna (In Nova Corpora), die meine Kleider nähte, war
ebenfalls eine grosse Unterstützung. Von daher war das ein toller
Einstieg ins Hobby. Was ich wirklich empfehlen kann, ist, sich
möglichst genau Gedanken zu machen was man darstellen möchte. Man
muss sich mit dieser Rolle auseinandersetzen. Was ich ursprünglich
unterschätze, war der nötige Aufwand an Recherche. Recherchieren
ist eine zeitraubende Beschäftigung – kann mit etwas Routine aber
durchaus Spass machen. Weiter unterschätzte ich anfänglich, wie
anstrengend das Leben im Mittelalter war. Ich war davon ausgegangen,
eine vergleichsweise lockere Rolle zu haben. Rasch stellte sich
heraus, dass das raue Leben im Mittelalter auch einem Mönch zusetzen
kann.
Wie
geht es weiter, Ralph? In welche Richtung entwickelt sich Deine
Darstellung? Wie sehen Deine weiteren Ziele und Wünsche aus?
Was
mich immer mehr interessiert, sind die verschiedenen Strömungen
innerhalb des mittelalterlichen Franziskanerordens. Was geschah im
Spannungsfeld zwischen dem völligen Verzicht auf eigenen Besitz und
klösterlichem Leben in immer grösserem Wohlstand? Weiter beschäftige ich mich mit Quellen über Konflikte zwischen Klöstern und der
weltlichen Gesellschaft. Vor allem versuche ich herauszufinden, wie
damals ein Franziskaner lebte, der die Ordensregel nicht wortwörtlich
umsetzte, sondern einem gemässigten Kloster angehörte, welches
phasenweise auch Besitz und einen gewissen Komfort zuliess. Ich
interessiere mich auch für die Auseinandersetzungen des Barfüsserklosters
mit den Zürcher Priestern. Es ging dabei um Kompetenzstreitigkeiten
betreffend der Seelsorge oder dem Spenden der Sterbesakramente.
Insgesamt geht es mir einfach darum, meine Darstellung dichter,
realistischer zu machen und den Museumsbesuchern noch besser Auskunft
über das Leben der Franziskaner in Zürich geben zu können.
Wünschen würde ich mir weitere Darstellende von
Franziskanermönchen. Es wäre toll, wenn man gemeinsam
recherchieren, austauschen und an der Darstellung arbeiten könnte!
Meinen
herzlichen Dank an Ralph Küng für dieses Gespräch. Durch seinen etwas anderen Zugang zur Darstellung ergänzt und verfolständigt er das sonst häufig eher militärisch geprägte Bild an historischen Veranstaltungen. Wie oben erwähnt, wird Ralph von Presseleuten darum gern als vervielfältigendes Sujet ausgewählt. So erschien er unter anderem in der Zeitschrift Femina und in der Coopzeitung. Aus meiner
Sicht stellen die von Ralph geschilderten Erfahrungen ein gutes Beispiel dar, wie der Einstieg in unser Hobby
gelingen kann. Ralph wählte einen eigenwilligen Weg in eine
ungewöhnliche und anspruchsvolle Rolle, den er dank tatkräftiger
Unterstützung aus der Szene toll meisterte.
Roger Kolb, März 2013. (Ergänzt im August 2013).
Roger Kolb, März 2013. (Ergänzt im August 2013).
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