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Herzlich Willkommen auf dem IGZ-Blog! Lass Dich von unserem prätentiösen Namen nicht abschrecken. Entstanden sind wir auf einer Kaffefahrt über den Zürichsee. Wir sind kein Verein, sondern ein Freundeskreis und interessieren uns für alles, was das Leben in einem spätmittelalterlichen Städchen ausmacht - und für dessen jeweilige Rekonstruktion. Hier auf unserem Blog berichten wir von unseren Aktivitäten und über unsere verschiedenen Projekte. Schau doch ab und zu mal vorbei, falls wir Dein Interesse geweckt haben.

Dienstag, 6. August 2013

Wollkutte und Sandalen - Erfahrungen aus dem Einstieg in die Lebendige Geschichte. Ein Gespräch unter Freunden.



Gibt man auf Google in der Bildersuche die Begriffe „Reenactment“ und „Franziskanermönch“ ein, so erscheint gleich an erste Stelle das Bild eines bärtigen Mannes, mit Tonsur und in der typischen, naturfarbenen Wollkutte des Ordens. Das selbe Resultat erhält man bei einer Eingabe in englischer Sprache. (Stand März 2013, anm. d. Verf.). Hierbei handelt es sich um Ralph Küng. Er ist historischer Darsteller, Mitglied der Company of St. George sowie bei der IGZ mit dabei. An Veranstaltungen fällt auf, dass Ralph als Foto-Sujet sowohl bei Museumsbesuchern als auch bei der Presse sehr beliebt ist. Welche Erfahrungen macht Ralph in dieser markanten Darstellung? Wie ist er überhaupt dazu gekommen und in welche Richtung entwickelt sich diese Rolle? Darüber gibt Ralph mir im folgenden Gespräch Auskunft.

Ralph, wen stellst Du dar?
Ich stelle einen Laienbruder dar. Einen Franziskanermönch mit geringer Bildung, der im späten 15.Jahrhundert lebt und aus dem Barfüsserkloster Zürich stammt.

Welchen sozialen Hintergrund könnte Deine Figur haben? Warum wurde dieser Mensch ausgerechnet Franziskaner?
Die soziale Schicht der Herkunftsfamilie meiner Figur ist für mich von keiner grossen Bedeutung. Es war zu jener Zeit durchaus üblich, ein später geborenes Kind in ein Kloster zu geben. Die Entscheidung, dass meine Figur dem Orden der Franziskaner angehören sollte, fällte ich intuitiv. Ich kann mich mit der Lehre des Franz von Assisi auch privat ein Stück weit identifizieren. Das führte wohl zu dieser – weniger historisch, als persönlich geprägten Wahl.

Seit wann bist Du im Hobby? Wie hast Du Deinen Einstieg in Erinnerung?
Im Hobby bin ich seit Anfang 2011. Mein erster Event war ein Besuch auf der Meersburg, bei der Gruppe Ulmer Aufgebot 1475. Das war eine spannende Erfahrung. Plötzlich war ich umgeben von vielen Leuten, die meine Interessen teilten. Mein erster Event mit der Company of St. George war im Juni des selben Jahres. Wir belebten das Château de Gruyères und das war sehr eindrücklich. Alles wirkte irgendwie „echt“ und es gab manchmal wirklich Momente, in denen ich eintauchte und mir vorstellte, wie es in der mittelalterlichen Gesellschaft zu und her ging.

Auf welche Quellen stützt sich Deine Darstellung? Sind es immer noch die gleichen wie am Anfang, oder sind weitere Einflüsse dazu gekommen?
Giotto. Oberkirche, Assisi.
Bei den schriftlichen Quellen orientierte ich mich zu Beginn an der Basis, den überlieferten Ordensregeln des Franz von Assisi. Im Weiteren an der Geschichte des Ubertino de Casale. In Bezug auf die äussere Erscheinung an den Werken von Giotto, seinen Nachfolgern sowie weiteren Bildquellen aus dem mitteleuropäischen Spätmittelalter. Heute kommen überwiegend schriftliche und bildliche Quellen hinzu, die das Erscheinungsbild und Verhalten der Franziskaner in der spätmittelalterlichen Gesellschaft dokumentieren.

Ralph, Du bist in der Szene zwischenzeitlich, zumindest, was Deinen „Look“ angeht, als einer der besten Mönchsdarsteller bekannt. Warum kommt Deine Darstellung bei anderen Darstellenden so gut an?
Vielleicht beeindruckt die Leute meine Tonsur? Ich gebe mir Mühe, meine Darstellung so gut wie möglich zu machen – und dabei mich selbst zu bleiben. Während einem Event achte ich einfach darauf, dass keine modernen Gegenstände (Natel, Brille etc.) sichtbar sind. Die sichtbaren Teile meiner Ausrüstung sind historisch belegbar. Das ist mir wichtig.

Ich habe schon persönlich erlebt, wie sich die Museumsbesucher Dir zuwenden und auf Dich zugehen. Sie bringen Deine Darstellung mit populären Figuren aus Film und Fernsehen in Zusammenhang. Auf was achtest Du im Umgang mit dem Publikum?
Die meisten Museumsbesucher reagieren wirklich positiv. Ab und zu werde ich spasseshalber mit „Bruder Tuck“ angesprochen. Über solchen Sachen muss man stehen und darf sie nicht persönlich nehmen. Aufgrund meiner Tonsur, die ich übrigens nur ca. drei Mal pro Jahr schneiden lassen kann, halten mich einzelne Besucher auch für einen echten Mönch. Da muss ich dann sensibel vorgehen und die Leute aufklären. Es läge mir fern, jemanden in seinen religiösen Gefühlen zu verletzen.

Wie zufrieden bist Du, wenn Du zurückblickst auf die vergangenen beiden Jahre? Würdest Du heute etwas anders machen?
Ich hatte am Anfang das Glück, Dich Roger, bei der Company als kompetenten Host zu haben. Anna (In Nova Corpora), die meine Kleider nähte, war ebenfalls eine grosse Unterstützung. Von daher war das ein toller Einstieg ins Hobby. Was ich wirklich empfehlen kann, ist, sich möglichst genau Gedanken zu machen was man darstellen möchte. Man muss sich mit dieser Rolle auseinandersetzen. Was ich ursprünglich unterschätze, war der nötige Aufwand an Recherche. Recherchieren ist eine zeitraubende Beschäftigung – kann mit etwas Routine aber durchaus Spass machen. Weiter unterschätzte ich anfänglich, wie anstrengend das Leben im Mittelalter war. Ich war davon ausgegangen, eine vergleichsweise lockere Rolle zu haben. Rasch stellte sich heraus, dass das raue Leben im Mittelalter auch einem Mönch zusetzen kann.

Wie geht es weiter, Ralph? In welche Richtung entwickelt sich Deine Darstellung? Wie sehen Deine weiteren Ziele und Wünsche aus?
Was mich immer mehr interessiert, sind die verschiedenen Strömungen innerhalb des mittelalterlichen Franziskanerordens. Was geschah im Spannungsfeld zwischen dem völligen Verzicht auf eigenen Besitz und klösterlichem Leben in immer grösserem Wohlstand? Weiter beschäftige ich mich mit Quellen über Konflikte zwischen Klöstern und der weltlichen Gesellschaft. Vor allem versuche ich herauszufinden, wie damals ein Franziskaner lebte, der die Ordensregel nicht wortwörtlich umsetzte, sondern einem gemässigten Kloster angehörte, welches phasenweise auch Besitz und einen gewissen Komfort zuliess. Ich interessiere mich auch für die Auseinandersetzungen des Barfüsserklosters mit den Zürcher Priestern. Es ging dabei um Kompetenzstreitigkeiten betreffend der Seelsorge oder dem Spenden der Sterbesakramente. Insgesamt geht es mir einfach darum, meine Darstellung dichter, realistischer zu machen und den Museumsbesuchern noch besser Auskunft über das Leben der Franziskaner in Zürich geben zu können. Wünschen würde ich mir weitere Darstellende von Franziskanermönchen. Es wäre toll, wenn man gemeinsam recherchieren, austauschen und an der Darstellung arbeiten könnte!

(Alle Fotos: Roger Kolb)

Meinen herzlichen Dank an Ralph Küng für dieses Gespräch. Durch seinen etwas anderen Zugang zur Darstellung ergänzt und verfolständigt er das sonst häufig eher militärisch geprägte Bild an historischen Veranstaltungen. Wie oben erwähnt, wird Ralph von Presseleuten darum gern als vervielfältigendes Sujet ausgewählt. So erschien er unter anderem in der Zeitschrift Femina und in der Coopzeitung. Aus meiner Sicht stellen die von Ralph geschilderten Erfahrungen ein gutes Beispiel dar, wie der Einstieg in unser Hobby gelingen kann. Ralph wählte einen eigenwilligen Weg in eine ungewöhnliche und anspruchsvolle Rolle, den er dank tatkräftiger Unterstützung aus der Szene toll meisterte.

Roger Kolb, März 2013. (Ergänzt im August 2013).

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