Herzlich Willkommen auf dem IGZ-Blog!

Herzlich Willkommen auf dem IGZ-Blog! Lass Dich von unserem prätentiösen Namen nicht abschrecken. Entstanden sind wir auf einer Kaffefahrt über den Zürichsee. Wir sind kein Verein, sondern ein Freundeskreis und interessieren uns für alles, was das Leben in einem spätmittelalterlichen Städchen ausmacht - und für dessen jeweilige Rekonstruktion. Hier auf unserem Blog berichten wir von unseren Aktivitäten und über unsere verschiedenen Projekte. Schau doch ab und zu mal vorbei, falls wir Dein Interesse geweckt haben.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Rogers Rekonstruktion: Holztrippen




Trippenrekonstruktion am Beispiel einer süddeutschen Holztrippe: die Konstanzer Trippe. Rosengartenmuseum Konstanz, Inv. Nr. V. 616.






Zur zeitlichen Herkunft besteht lediglich die Angabe 14./15. Jahrhundert. Die Konstanzer Trippe ist aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt, das sich im Ballenbereich verbreitert und in eine schmale Spitze ausläuft. Auf der unterseite der Sohle befinden sich jeweils zwei Nägel im Fersen- und im Ballenbereich. Diese hielten ursprünglich wohl je ein Stück Leder fest, mit dem die Trittflächen unterlegt waren. Der Unterschuh wurde mit einem aus  zwei Teilen bestehenden Lederriemen am Vorderfuss festgehalten. Beide Riementeile sind seitlich mit Nägeln an der Holzsohle befestigt. Um die Weite des Halteriemens zu regulieren, wurde das eine Ende durch die halbmondförmige Öffnung des anderen Riementeils gezogen.
(Lit. Grew/Neergard "Shoes and pattens" 1988 S. 91- 101)






Holztrippen dienen zwei grundsätzlichen Zwecken: Als Isolation der Füsse gegen den Wärmeverlust an den kälteren Untergrund und als Untersohle zum Schutz der ledernen Schuhe gegen Nässe und Verschmutzung. Ersteres mag der Grund sein, weshalb Trippen in unterschiedlich aufwändiger Machart von der Bevölkerung durch sämtliche soziale Schichten getragen wurde. Während hohe Holztrippen im Schlamm, Sand und Schnee gute Dienste leisten, ist ihr Einsatz auf Steinböden und Kopfsteinpflaster hinderlich bis gefährlich! Wie unsere Tests bewiesen haben, erzeugt das Anbringen von Lederstücken an der Sohle einen gewissen Griff. So ist man sowohl auf morastigen Gassen als auch auf gepflasterten Plätzen einigermassen sicher unterwegs. Zudem verringern die angebrachten Eisennägel den Abrieb der Holzsohle, wodurch die Brauchbarkeit der Trippe deutlich verlängert wird. Für Innenräume sind flache Trippen aus Holz oder Leder eindeutig besser geeignet.


Die Rekonstrution besteht aus Pappelholz. Der überwiegende Teil der Funde aus dieser Periode wurden aus Weiden- oder Pappelholz hergestellt. Ziel der meisten Trippenrekonstruktionen ist, einen leichten, oft fast filigranen Unterschuh aus Holz her zu stellen. Die zähe, filzige Beschaffenheit der oben genannten Hölzer ermöglicht dies - bei hoher Bruchfestigkeit!
(Lit. Vreenegoor/Kuipers "Vondsten in veere" 1996 S.87 - 89)

Dagegen können diese Hölzer nur schwer geschliffen oder bemalt werden. 
Sowohl bei Funden als auch dargestellt auf Gemälden sind die Oberflächen der Trippen daher unbehandelt belassen. Häufig sind die beim Herstellungsprozess entstandenen Schnittspuren von Dechsel und Rundeisen sichtbar. Die oben genannten Darstellungen deuten darauf hin, dass die Trippe in verschiedene sozialen Schichten  als Alltagsgegenstand betrachtet werden kann.

 
(Portrait des Giovanni Arnolfini und seiner Frau. Jan van Eyck, 1434)



Für ihre Inspiration und Unterstützung dankeschön an Marquita und Serge Volken, Schuhmuseum Lausanne.

(alle Fotos: Roger)

Dienstag, 5. Oktober 2010

Rückblick: 4., 5. und 6. September 2009, Turmbelebung in Kaiserstuhl

2009 wurde am Wochenende nach Verenen in Kaiserstuhl ein alter Traum wahr. Da Andrea und Roger (aus Fisibach bzw. Mellikon) aus der Region stammten, hier Familie haben und (in Rogers Fall) in Kaisi zur Schule gegangen waren, hatte die IGZ grundlegend einen starken Bezug zu diesem verträumten Städtchen am Rhein - und insbesondere natürlich zu seinem oberen Turm.
Eine Turmbelebung hatte daher in den Köpfen schon seit einem Jahrzehnt herumgegeistert. Aber wo anfangen? Wie an die nötigen Quellen kommen? Wie sah der aktuelle Wissensstand aus? Da wir quasi "Einheimische" waren und Referenzen von unseren Aktivitäten in anderen Gruppen vorweisen konnten, fanden wir mit unserem Projekt in Kaiserstuhl offene Türen und Ohren. Also erhielten wir die Genemigung, den Turm für unser Projekt zu benützen. Bei der Recherche über die finanzielle und polititsche Situation im Kaiserstuhl des ausgehenden 15. Jahrhunderts trafen wir auf eine für uns ganz wichtige Schlüsselperson: die Historikerin Franziska Wenziger Plüss aus Greiffensee. Als Kennerin der spätmittelalterlichen Quellen im Stadtarchiv sowie anderer Archive im ehemaligen Bistum Konstanz versah sie uns mit Informationen, welche unsere Turmbelebung in vieler Hinsicht prägten. Als Co-Autorin des Hefts "Kaiserstuhl - Archäologische und historische Beiträge zur Frühzeit der Stadt" (Beiträge zur Geschichte des Bezirks Zurzach, Heft 1/1998. Historische Vereinigung des Bezirks Zurzach) hatte sie insbesondere die Lebenssituation der Türmer bearbeitet und konnte uns beispielsweise Auskunft über deren Einkommenssituation geben - was sich in der Wahl unserer Kleidung und unserer Haushaltgegenstände niederschlug. Mit der Zeit hatten wir ausreichendes Grundlagenwissen angesammelt, um einen historischen Kontext für unsere Turmbelebung zu entwerfen: Wir wählten bewusst das Wochenende nach Verenen, wenn zahlreiche Händler und Handwerker, aber auch Raufbolde und Gesindel, den Heimweg rheinaufwärts vom grossen Markt im Flecken Zurzach her über Kaiserstuhl Richtung Bodensee antraten und der Turm von den Türmern und ihren Familien Tag und Nacht bemannt war. Anhand dieses Szenarios  kam dann der Einladungsfilm zustande, der an ausgewählte historische Darstellende verschickt wurde. In der Planung ging es vorwärts, wir kamen bei unseren vorbereitenden Besuchen im Turm immer wieder mit Kaiserstuhlerinnen und Kaiserstuhlern ins Gespräch. Die Reaktionen - zum Beispiel anlässlich eines MA-Picknicks auf dem Turm - waren durchwegs positiv, was sehr motivierend war. Wir lernten Madeleine und Sven von teleKaiserstuhl kennen, die unsere Vorbereitungen und unsere Veranstaltung begleiteten und dokumentierten.

Dann war es soweit. Die Veranstaltung startete. Unsere Freunde vom Ulmer Aufgebot 1475 trafen am Freitagabend ein und es gab eine feierliche Vereidigung der Türmer, mit der originalen Eidformel aus dem Kaiserstuhler Stadtbuch von 1480 (!). Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Am Samstagmorgen luden wir unsere Gönnerinnen und Gönner ein zu einem mittelalterlichen Apéro mit anschliessendem Vortrag durch Franziska, der Gäste wie Darstellende gleichermassen in seinen Bann zog.

Am Sonntagmorgen besuchten wir die Alters- und Pflegewohngruppe, was von den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr geschätzt wurde - hatten doch einige von ihnen in den 50er Jahren selbst mit ihren Familien an einer historischen Vorführung im Städtchen mitgewirkt. An den Nachmittagen kamen Kaiserstuhlerinnen und Kaiserstuhler sowie Touristengruppen gleichermassen gern auf einen Besuch in den Turm. Es wurde geschätzt, dass man verweilen, sich austauschen konnte - und dadurch auch einen echten Wissenszuwachs erhielt. So gab es immer wieder einen Kreis aus Interessierten um einen Darsteller oder eine Darstellerin. Die Gespräche drehten sich um alle vorstellbaren Lebensaspekte und wir konnten unser Wissen - immer nach dem derzeitigen Wissensstand - in dieser angenehmen Atmosphäre  ganz ungezwungen weitervermitteln. Telekaiserstuhl haben dies ganz treffend in ihrem Beitrag festgehalten. Unser Fazit nach dieser Veranstaltung: Eine Belebung eines historischen Bauwerks benötigt, wenn seriös gearbeitet werden soll, einen beachtlichen organisatorischen Aufwand - insbesondere, wenn es sich dabei um eine Premiere handelt, also noch keine Erfahrungen mit dem Gebäude, dem Umfeld, den Zulieferern vorhanden sind. Das Zusammensein unter den Darstellenden und besonders der Austausch mit dem Publikum, das Eingehen auf dessen Fragen und Anliegen gewinnt bei einer so kleinen Veranstaltung enorm. Für die Darstellenden - sowohl angereiste Gäste als auch "Einheimische" war beim Ende der Veranstaltung sofort klar: das hat Qualität, das machen wir wieder!



 
Fotos: Andrea, Jürgen und Atall
  


Pressestimmen:
 
Bericht über die Belagerung der Lenzburg durch die CoSG mit 
Hinweis auf die Turmbelebung, Botschaft vom 10.08.2009


Bericht über die Turmbelebung, Botschaft vom 07.09. 2009




Rückblick: 2. Juli 2009, Mittelalterfest in der Primarschule Rümlang

Die Klasse 3a des Schulhauses Rümelbach (Primarschule Rümlang) hatte sich vertieft mit dem Thema Mittelalter beschäftigt. Zum Abschluss dieses Themenkreises veranstalteten Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen ein tolles Mittelalterfest. Es wurde ein Ritterturnier abgehalten, es gab Gesanges- und Tanzvorführungen und es wurde mittelalterlich gekocht - eine beeindruckende Produktion mit selbst gebauten Rüstungen, edlen Gewändern und einem vielseitigen, selbst zubereiteten Mahl.

(Foto: Anita)
 
Geladene Gäste waren die Eltern und Geschwister der Schulkinder - und auch wir von der IGZ durften an diesem fröhlichen Anlass teilnehmen. Als Oberländer Handwerker mit Frau und Schwester waren wir zum Marienheiligtum am Pflasterbach, nahe der Ruine Sünikon gepilgert, um dort für Kindersegen für das Paar und Liebesglück für die Ledige zu beten. Da wir zu lange verweilt waren und in der Taverne "Löwen" in Dielsdorf keinen Platz mehr fanden, waren wir enorm froh um die Verköstigung durch die Rümlanger Kinder.


Der Anlass war für uns eine tolle Erfahrung, wir konnten etwas von dem tun, was uns am meisten Spass macht: das Zusammensein und der Austausch mit Kindern. Der Wissensdurst der Rümlanger Schülerinnen, Schüler und auch ihrer Eltern war da und es kamen für beide Seiten spannende Gespräche zustande. Auch unser Verkleidungskorb wurde rege zur Anprobe mittelalterlicher Hut- und Umhangmode in Anspruch genommen. Nach dem gemeinsamen Abendessen verliessen wir die Primarschule Rümlang wieder, während die Kinder zu einer Übernachtung im Schulzimmer bereits in ihr nächstes Abendteuer starteten. Unser Fazit: Es gibt nichts Tolleres, als mit Kindern in all ihrer Unvoreingenommenheit und Ernsthaftigkeit unsere kulturellen Wurzeln zu erleben!