Eine Turmbelebung hatte daher in den Köpfen schon seit einem Jahrzehnt herumgegeistert. Aber wo anfangen? Wie an die nötigen Quellen kommen? Wie sah der aktuelle Wissensstand aus? Da wir quasi "Einheimische" waren und Referenzen von unseren Aktivitäten in anderen Gruppen vorweisen konnten, fanden wir mit unserem Projekt in Kaiserstuhl offene Türen und Ohren. Also erhielten wir die Genemigung, den Turm für unser Projekt zu benützen. Bei der Recherche über die finanzielle und polititsche Situation im Kaiserstuhl des ausgehenden 15. Jahrhunderts trafen wir auf eine für uns ganz wichtige Schlüsselperson: die Historikerin Franziska Wenziger Plüss aus Greiffensee. Als Kennerin der spätmittelalterlichen Quellen im Stadtarchiv sowie anderer Archive im ehemaligen Bistum Konstanz versah sie uns mit Informationen, welche unsere Turmbelebung in vieler Hinsicht prägten. Als Co-Autorin des Hefts "Kaiserstuhl - Archäologische und historische Beiträge zur Frühzeit der Stadt" (Beiträge zur Geschichte des Bezirks Zurzach, Heft 1/1998. Historische Vereinigung des Bezirks Zurzach) hatte sie insbesondere die Lebenssituation der Türmer bearbeitet und konnte uns beispielsweise Auskunft über deren Einkommenssituation geben - was sich in der Wahl unserer Kleidung und unserer Haushaltgegenstände niederschlug. Mit der Zeit hatten wir ausreichendes Grundlagenwissen angesammelt, um einen historischen Kontext für unsere Turmbelebung zu entwerfen: Wir wählten bewusst das Wochenende nach Verenen, wenn zahlreiche Händler und Handwerker, aber auch Raufbolde und Gesindel, den Heimweg rheinaufwärts vom grossen Markt im Flecken Zurzach her über Kaiserstuhl Richtung Bodensee antraten und der Turm von den Türmern und ihren Familien Tag und Nacht bemannt war. Anhand dieses Szenarios kam dann der Einladungsfilm zustande, der an ausgewählte historische Darstellende verschickt wurde. In der Planung ging es vorwärts, wir kamen bei unseren vorbereitenden Besuchen im Turm immer wieder mit Kaiserstuhlerinnen und Kaiserstuhlern ins Gespräch. Die Reaktionen - zum Beispiel anlässlich eines MA-Picknicks auf dem Turm - waren durchwegs positiv, was sehr motivierend war. Wir lernten Madeleine und Sven von teleKaiserstuhl kennen, die unsere Vorbereitungen und unsere Veranstaltung begleiteten und dokumentierten.
Dann war es soweit. Die Veranstaltung startete. Unsere Freunde vom Ulmer Aufgebot 1475 trafen am Freitagabend ein und es gab eine feierliche Vereidigung der Türmer, mit der originalen Eidformel aus dem Kaiserstuhler Stadtbuch von 1480 (!). Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Am Samstagmorgen luden wir unsere Gönnerinnen und Gönner ein zu einem mittelalterlichen Apéro mit anschliessendem Vortrag durch Franziska, der Gäste wie Darstellende gleichermassen in seinen Bann zog.
Am Sonntagmorgen besuchten wir die Alters- und Pflegewohngruppe, was von den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr geschätzt wurde - hatten doch einige von ihnen in den 50er Jahren selbst mit ihren Familien an einer historischen Vorführung im Städtchen mitgewirkt. An den Nachmittagen kamen Kaiserstuhlerinnen und Kaiserstuhler sowie Touristengruppen gleichermassen gern auf einen Besuch in den Turm. Es wurde geschätzt, dass man verweilen, sich austauschen konnte - und dadurch auch einen echten Wissenszuwachs erhielt. So gab es immer wieder einen Kreis aus Interessierten um einen Darsteller oder eine Darstellerin. Die Gespräche drehten sich um alle vorstellbaren Lebensaspekte und wir konnten unser Wissen - immer nach dem derzeitigen Wissensstand - in dieser angenehmen Atmosphäre ganz ungezwungen weitervermitteln. Telekaiserstuhl haben dies ganz treffend in ihrem Beitrag festgehalten. Unser Fazit nach dieser Veranstaltung: Eine Belebung eines historischen Bauwerks benötigt, wenn seriös gearbeitet werden soll, einen beachtlichen organisatorischen Aufwand - insbesondere, wenn es sich dabei um eine Premiere handelt, also noch keine Erfahrungen mit dem Gebäude, dem Umfeld, den Zulieferern vorhanden sind. Das Zusammensein unter den Darstellenden und besonders der Austausch mit dem Publikum, das Eingehen auf dessen Fragen und Anliegen gewinnt bei einer so kleinen Veranstaltung enorm. Für die Darstellenden - sowohl angereiste Gäste als auch "Einheimische" war beim Ende der Veranstaltung sofort klar: das hat Qualität, das machen wir wieder!
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Fotos: Andrea, Jürgen und Atall
Pressestimmen:
Bericht über die Belagerung der Lenzburg durch die CoSG mit
Hinweis auf die Turmbelebung, Botschaft vom 10.08.2009
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